Ausschuss für ethische Fragen und Berufsordnung

Ausschuss für ethische Fragen und Berufsordnung

Zu den zentralen Aufgaben der Kammer gehört, „die Erfüllung der Berufspflichten der Kammermitglieder zu überwachen…“ (Satzung, § 2, 1, Satz 1). Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zählen zu den freien Berufen. Diesen gibt der Staat die Möglichkeit, die Regeln der Berufsausübung über die Selbstverwaltung, Kammern selbst über die Berufsordnung zu definieren auf Grundlage der Heilberufsgesetze. Die Berufsordnungen können als jeweils aktuelle konkrete Umsetzungen, Ausgestaltung ethischer Leitlinien in einem bestimmten Bereich verstanden werden. Es finden sich darin z.B. Paragraphen zur Abstinenz, zur Schweigepflicht, auch zu weiteren Aufgaben, Handlungsregeln, z.B. zum Umgang miteinander, zum Schutz der Auszubildenden, zum Umgang mit Dritten.

Die vom Ausschuss erarbeitete hessische Berufsordnung (HBO) wurde von der Delegiertenversammlung (DV) der Kammer erstmals 2004 verabschiedet. In ihr sind die grundlegenden Regeln der psychotherapeutischen Berufsausübung in Hessen festgelegt, innerhalb derer Psychotherapie nach fachlichen Standards durchgeführt wird.  Darüber hinaus war damit der Anspruch verbunden, „auf eine ethisch verantwortungsbewusste Haltung der/des einzelnen Berufsangehörigen hinzuwirken“ (Selbstdarstellung des Ausschusses, Kammer-Homepage). Gesellschaftliche Veränderungen, veränderte oder neue Gesetzgebungen ebenso wie neue Entwicklungen innerhalb der Profession erfordern eine kontinuierliche Überarbeitung der Berufsordnung. Der Ausschuss erarbeitet in diesem Zusammenhang Vorlagen zur Änderung der Berufsordnung, die der DV als Diskussion- und Entscheidungsgrundlage dienen. Weiterhin hat der Ausschuss die Funktion einer Ethikkommission hinsichtlich der Beratung der Kammermitglieder in berufsrechtlichen und berufsethischen Fragen, auch für Forschungsvorhaben.    

Eine Berufsordnung, die in ihr niedergelegten Regeln und formulierten ethischen Prinzipien geben eine Orientierung und einen schützenden Rahmen, sowohl für die Patienten als auch für uns als PsychotherapeutInnen. Wir arbeiten in einem komplexen, oft krisenhaften Beziehungsfeld, in den wir auch als Person selbst einbezogen sind. Ethische Probleme in Behandlungen entstehen oft durch bewusste und unbewusste Verstrickungen in der therapeutischen Beziehung.

Grundlegende ethische Prinzipien in der Heilkunde stehen in der Tradition des Hippokratischen Eides, der in der “Deklaration von Genf” fortgeschrieben wird. 

Tomar Lamar Beauchamp und James F. Childress haben vier ethisch-moralische Prinzipien beschrieben (Prinziples of Boimedical Ethics, 1977), die gleichberechtigt sind, im Einzelfall im Konflikt miteinander stehen können und dann untereinander abgewogen werden müssen. Diese wurden auch in die hessische Berufsordnung aufgenommen:

§ 5 Verantwortung

  1. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind bei der Berufsausübung gehalten, die international anerkannten ethischen Prinzipien zu beachten, insbesondere
    1. Die Autonomie des Patienten zu respektieren
    2. Schaden zu vermeiden
    3. Nutzen zu mehren und
    4. Gerechtigkeit anzustreben
  2. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben die Würde ihrer Patienten zu respektieren, unabhängig insbesondere von Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung, sozialer Stellung, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder politischer Überzeugung.
  3. Die Pflichten gemäß Absatz 1 und 2 gelten nicht nur im Verhältnis zu den Patientinnen und Patienten, sondern umfassen auch die anderen Felder der Berufsausübung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.
  4. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten stellen auf der Grundlage ihrer Haltung und ihres professionellen Handelns ihren Patientinnen und Patienten einen geschützten Rahmen zur Verfügung, den sie auch gegenüber äußeren Einflüssen schützen, die die Behandlung und das Wohl der sich anvertrauenden Patientinnen und Patienten schädigen könnten.

(Auszug HBO, Fassung Mai 2017)

 

Stephan Stanko, PDL-PP (stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses 2003 – 2011, Vorsitzender 2011 – 2016) hat dazu in seinem Vortrag für den PiA-Tag der Kammer, 2008 folgendes formuliert: „Die Situation der Begegnung zeichnet sich dadurch aus, das wir Macht haben – auch und gerade, weil Patienten uns im Zustand der Krankheit aufsuchen, einem Zustand von besonderer Verletzbarkeit, Abhängigkeit. Die Macht ist keine abstrakte, es ist die von der Gesellschaft uns als Profession zugestandene und von Patienten an uns verliehene Macht, in konkrete Biographien, in eine Lebenspraxis einzugreifen. Dies impliziert Verantwortung. Kranksein heißt eben auch, sich in einem Zustand eingeschränkter oder beschädigter Autonomie zu befinden und darauf zu vertrauen, dass dieser Zustand nicht ausgenutzt wird, sondern das Vertrauen auf das integre Handeln dessen, der Hilfe verspricht, eingelöst wird. […] Therapeutisches Handeln muss orientiert sein an Vertrauen, Schutz und Glaubwürdigkeit. Es ist unabhängig von Methoden oder Schulen keine Ausübung von technischen Problemlösungen, sondern Beziehungspraxis in einer besonderen Vertrauensbeziehung. Ein Ethikkodex muss daher auf den Schutz der therapeutischen Beziehung und des therapeutischen Rahmens nach innen wie nach außen abzielen.“ Es geht nicht nur um Wissensvermittlung und Regeln, Gebote und Verbote, sondern um die Entwicklung einer eigenen Haltung, die „Aneignung schützender Grenzen“ – auch der eigenen als Psychotherapeut*in.

Zentrale Punkte in der HBO befassen sich mit Abstinenz, Schweigepflicht, Aufklärung und Datenschutz, auch für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Lehre.

Der Ausschuss hat sich u.a. intensiv mit der Behandlung über Kommunikationsmedien (Internetangebote) befasst und dazu zahlreiche Stellungnahmen abgegeben, die in der DV diskutiert wurden. Er hat Beschlussvorlagen für die DV zu Anonymisierung und Schweigepflicht bei PKV und Beihilfeträgern und ein Hinterbliebenen-Info zum Umgang mit Patientendaten verfasst. Kontinuierlich befasst sich der Ausschuss mit den besonderen Anfordernissen in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie: https://lppkjp.de/ethische-grundlagen-und-prinzipien-psychoth-berufsordnung-und-berufspraxis/

Intensiv wurde die Umsetzung des Patientenrechte-Gesetzes diskutiert: Information zum Patientenrechtegesetz

Die Fraktionsgemeinschaft der Psychodynamischen Listen hat sich dabei insbesondere für eine Berücksichtigung der Bedeutung der therapeutischen Beziehung im „persönlichen Kontakt“ eingesetzt und eine kritische Reflexion des Umgangs mit Angeboten der „Fernbehandlung“. Ebenso ist sie für die Abstinenz in Abhängigkeitsbeziehungen eingetreten, wie sie auch in der Ausbildung bestehen. So konnte über einen langwierigen und intensiven Austausch innerhalb der Kammer zwischen den Psychotherapieverfahren und -schulen über Selbsterfahrung und Supervision in der Ausbildung ein entsprechender Schutz der Vertraulichkeit in diesen Bereichen in die HBO aufgenommen werden (§ 29). Hinsichtlich der im Patientenrechte-Gesetz aufgenommen uneingeschränkten Einsichtnahme in die Dokumentation von Seiten des Patienten, hat sich die PDL – auch gegen ursprüngliche Voten der die jetzige Vorstandskoalition bildenden Listen – für die Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte der Behandler in der HBO eingesetzt, die dann als Kompromiss aufgenommen wurden ( § 9, Abs. 2).

Die Fraktionsgemeinschaft der Psychodynamischen Listen ist im Ausschuss durch Eva Martina Bohn, PDL-PP und Prof. Dr. Ulrich Müller, PDL-KJP vertreten.