Ausschuss für Qualitätssicherung

Ausschuss für „Qualitätssicherung“ der LPPKJP Hessen

Die Förderung der Qualität der psychotherapeutischen Berufsausübung gehört zu den wesentlichen Aufgaben der berufsrechtlichen Selbstverwaltung, sowohl gesetzlich, aber auch fachlich und ethisch. Die Psychotherapeutenkammer Hessen hat dies in ihrer Satzung aufgegriffen und als relevantes Arbeitsgebiet (§2) definiert, organisatorisch wurde dies durch die Einrichtung eines Ausschusses für Qualitätssicherung (§12) untermauert. Für die vierte Legislaturperiode der Psychotherapeutenkammer Hessen wählte die Delegiertenversammlung in 2016 einen um eine Person erweiterten, nun siebenköpfigen Ausschuss für Qualitätssicherung. Die Zusammensetzung repräsentiert einen Querschnitt anerkannter psychotherapeutischer Verfahren und Paradigmen, zwei der Mitglieder vertreten die psychodynamischen Verfahren (TP und aKJP), die anderen sind Verhaltenstherapeuten.

Aufgrund einer Vielzahl an neuen Gesetzen im sozialrechtlichen Bereich in den letzten Jahren sind Psychotherapeuten in allen Berufsfeldern zunehmend mit Veränderungen und auch mit Regulierungen ihrer Tätigkeit konfrontiert. Der QS-Ausschuss hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese gesetzgeberischen Entwicklungen zu beobachten, fachlich zu kommentieren und deren tatsächlichen Auswirkungen auf die Qualität der psychotherapeutischen Versorgung zu analysieren. Dabei ist besonders auf die häufige Verquickung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung mit gesundheits-ökonomischen und Lenkungsinteressen im komplex gegliederten deutschen Gesundheitssystem hinzuweisen.

Einige Arbeitsgebiete des Ausschusses sollen hier umrissen werden:
Im Januar 2012 trat das GKV Versorgungsstrukturgesetzes (GKV-VStG) in Kraft. Es handelt sich um ein umfangreiches Artikelgesetz und zielt darauf die bedarfsgerechte ambulante und stationäre Versorgung der GKV-Versicherten zu gewährleisten bzw. zu verbessern. Vor allem soll „die wohnortnahe, bedarfsgerechte und flächendeckende medizinische Versorgung“ verbessert werden, dazu würden „umfassende Maßnahmen auf den Weg gebracht, die eine gute und flächendeckende Versorgung auch für die Zukunft sichern.“ (Zitat von der Homepage des BMG). Die Regelungen sollten eine bessere Versorgung für Patienten erreichen mittels flexibleren Versorgungsstrukturen auf dem Land, einer zielgenauen Bedarfsplanung, guten Rahmenbedingungen für den Arztberuf sowie Anreize für Ärzte in strukturschwachen Gebieten. Dies beinhaltete u.a. die Förderung mobiler Versorgungskonzepte (bspw. den Medi-Bus der KV Hessen) sowie den Ausbau von Telemedizin wie z.B. die Videosprechstunde. Letzteres würde gerade für Psychotherapeuten eine besondere Herausforderung darstellen was Vertraulichkeit, Datenschutz und die Etablierung einer tragfähigen therapeutischen Beziehung anbelangt.

Das in 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz (PRG), das transparente Regelungen für Patienten und Behandler schaffen und allen Beteiligten Rechtssicherheit geben sollte, wurde im QS-Ausschuss generell begrüßt, weil es eine Zusammenfassung der bereits geltenden Regeln bietet. Unter psychotherapeutischen Gesichtspunkten wurde jedoch gefordert, bei der Interpretation der Dokumentationspflicht der Psychotherapeuten und dem uneingeschränkten Einsichtsrecht von Patienten gerade die Besonderheiten der Psychotherapie und insbesondere die Vertrautheit der psychotherapeutischen Beziehung zu bedenken. Wünschenswert wäre für unsere Berufsgruppe eine spezifische Regelung zum Einsichtsrecht, nach der im Ausnahmefall einzelne Aufzeichnungen vom Einsichtsrecht ausgenommen werden können, wenn ein Überwiegen des Persönlichkeitsrechts des Therapeuten geltend gemacht werden kann.

Wesentliche Teile des GKV-Versorgungs-Stärkungsgesetzes (GKV-VSG) traten im Juli 2015 in der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft. Wie auch schon im Versorgungsstrukturgesetz von 2012 sollte damit auch in Zukunft eine gut erreichbare medizinische Versorgung der Patienten auf hohem Niveau sichergestellt werden. Mit dem Innovationsfonds sollen Projekte gefördert werden, die neue Wege in der Versorgung beschreiten. Neue Maßnahmen waren neben stärkeren finanziellen Anreizen zur Förderung von Niederlassungen in unterversorgten Gebieten mittels Einrichtung eines Strukturfonds, die leichtere Gründungsmöglichkeiten für MVZs (auch Psychotherapie-MVZ) und die verpflichtende Einrichtung Terminservicestellen (TSS) durch die KVen zur Vermittlung von zeitnahen Terminen bei Fachärzten bei Vorlage einer Überweisung. Zusätzlich enthält das Gesetz den Auftrag an den G-BA zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung die Psychotherapie Richtlinie zu überarbeiten (siehe unten), zugleich sollte das Antrags- und Gutachterverfahren vereinfacht werden.

Das E-Health-Gesetz „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ ist 2016 in Kraft getreten. Es soll die Digitalisierung des Informationsaustausches und die Vernetzung im deutschen Gesundheitswesen durch Definition eines einheitlichen Rahmens, der sog. Telematikinfrastruktur (TI), fördern. Wenig problematisch und vordergründig sinnvoll erscheint die Festlegung von Standards, die den Rahmen für eine einheitliche Kommunikationsstruktur festlegen, in dem flächendeckend und sektorenübergreifend zunächst Arzt-, Zahnarzt- und Psychotherapiepraxen, sowie Krankenhäuser, Apotheken usw. sicher miteinander kommunizieren können. Von „E-Health“ als der Modernisierung der Kommunikationsstrukturen erwartet man vor allem eine Verbesserung der Versorgung, mehr Wirtschaftlichkeit, Leistungstransparenz, valide gesundheitsstatistische Informationen, die Optimierung von Arbeitsprozessen und – langfristig – auch Kosteneinsparungen. Eines der Schlüsselprojekte für die Modernisierung des Gesundheitswesens ist die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePa), die die Krankenkassen bis 2021 anbieten sollen und die auch mit dem Smartphone zugänglich sein soll. Doch ist “E-Health” ein Meilenstein der Digitalisierung und ein Segen für Patienten? Die Psychodynamischen Listen sehen diese Versprechungen differenzierter und überwiegend kritisch. Wie wird Datenschutz gewährleistet, wenn mehr als 110 000 Praxen Zugriff auf 60 Millionen Karten haben? Wer haftet für Datenpannen? Mit dem Versprechen der „besseren Versorgung“ wird nun die „neue Gesundheitskarte“ verkauft – der gläserne Patient beim gläsernen Arzt im total verwalteten Gesundheitssystem, auf Wunsch der Wirtschaft und der Politik.

Die Änderung der Psychotherapie-Richtlinie, die im April 2017 in Kraft trat, strebte 4 Ziele an: Die Diskussion um vermeintlich zu lange Wartezeiten auf eine Psychotherapie sollte beendet werden, Patienten zeitnah einen niederschwelligen Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung bekommen, die Ausgestaltung des psychotherapeutischen Angebots sollte flexibler werden und die Genehmigungen von Psychotherapien im Erstattungsverfahren durch die Krankenkassen sollte beendet werden, damit nicht mehr unkontrollierte Geldmengen abfließen.

Um eine niedrigschwellige, flexible, gut erreichbare Versorgung zu gewährleisten und für eine Verkürzung der Wartezeiten zu sorgen, enthält die PT-RiLi neben einer je nach Versorgungsauftrag festgelegten Dauer einer telefonischen Erreichbarkeit (100 bzw. 200 Minuten pro Woche) zwei neue Versorgungselemente: Die für alle niedergelassenen Psychotherapeuten verpflichtend anzubietende „Psychotherapeutische Sprechstunde“ und die „Akutbehandlung“. Termine für die Psychotherapeutische Sprechstunde, und seit 2019 auch für Probatorik und Akutbehandlungen werden von nun an über die Terminservicestellen (TSS) vermittelt.

Der QS-Ausschuss hat sich intensiv mit der Psychotherapeutischen Sprechstunde befasst und zwei Stellungnahmen erarbeitet zur qualitätsgesicherten Durchführung der Psychotherapeutischen Sprechstunde bei Erwachsenen sowie bei Kindern. Die Psychotherapeutische Sprechstunde stellt in ihrer Komplexität hohe Anforderungen an die Therapeuten, sowohl was den Arbeitsaufwand als auch was die Qualifikation anbelangt. In einer Stunde (bzw. bei KJP maximal 5 Sitzungen) soll ein neuer Patient diagnostiziert, über psychotherapeutische und andere therapeutische Möglichkeiten aufgeklärt und beraten werden, es sollen Empfehlungen für ein weiteres Procedere gegeben und dem Patienten schriftlich ausgehändigt werden. Inhaltlich ist die Sprechstunde der Probatorik und dem Erstgespräch vorgeschaltet, sie verändert deren Ablauf und die Inhalte wesentlich. Die für psychodynamische Verfahren so wichtige Eingangsszene wird hier massiv gestört, zum einen durch die vorgeschriebenen vielfältigen inhaltlichen Anforderungen an eine Sprechstunde, zum anderen durch mögliche Interventionen und Erlebnisse mit vorherigen Therapeuten. Gerade mit der neuen PT-RiLi nimmt die gesetzgeberische Entwicklung einen erheblichen Einfluß auf die fachlich-klinisch orientierte Ausgestaltung der eigenen Praxisführung und verändert den individuellen, persönlichen Zugang zum Patienten gravierend.

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ist in Teilen im Mai 2019 in Kraft getreten, weitere Teile kommen noch. Zentrales Thema des Gesetzes ist die Beschleunigung der Terminvergabe für gesetzlich Versicherte. Kern dabei ist der Ausbau der Terminservicestellen (TSS), sie sollen zentrale Anlaufstellen für Patienten sein und 24 Stunden an 7 Tagen pro Woche unter einer festen Nummer erreichbar sein und Patienten Termine für die Psychotherapeutische Sprechstunde, Probatorik und Akuttherapie vermitteln. Parallel dazu wurde das Mindestsprechstundenangebot der Vertragsärzte auf 25 Wochenstunden erhöht. Weitere Aspekte betreffen die Verpflichtungen der KVen in unterversorgten Gebieten eigene Praxen zu eröffnen oder Versorgungsalternativen anzubieten, das verpflichtende Angebot einer elektronischen Patientenakte (ePa) durch die Krankenkassen ab 2021. Seit Januar 2020 darf die Wartezeit auf eine psychotherapeutische Akutbehandlung, die über die TSS vermittelt wird, maximal 2 Wochen betragen. Kritisch sehen die Psychodynamischen Listen die Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Patienten im Erstkontakt. Durch die Verpflichtung trotz fehlender Behandlungskapazitäten Termine bereitzustellen werden Psychotherapeuten in die Situation gebracht, Patienten nach vorgeschriebener Durchführung von Psychotherapeutischer Sprechstunde, Probatorik oder Akutbehandlung mangels freier Psychotherapieplätze wieder auf die Suche nach einem Therapieplatz fortschicken zu müssen und sie so zu (ent)täuschen.

Aktuell beschäftigt sich der QS-Ausschuss intensiv mit den Auswirkungen, die das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) auf die Qualität psychotherapeutischer Versorgung haben kann. Die Frage nach „Medien- und internetgestützten Angeboten als Psychotherapie?“ wird aus mehreren Gründen kritisch reflektiert. So ist in dem Gesetz u.a. eine Öffnung der Versorgung für telemedizinische Elemente (Videosprechstunde) sowie eine breit angelegte Ansammlung und Speicherung von Daten intendiert, was neben Risiken der Datensicherheit und Vertraulichkeit auch problematische Änderungen der Rahmenbedingungen psychotherapeutischer Tätigkeit mit sich bringen kann.

Das Beispiel von internetgestützten und mobilisierten Interventionen (IMI), die die psychotherapeutische Versorgung sinnvoll ergänzen könnten, ist ein hoch brisantes Thema. Für die Vertreter der psychodynamischen Listen ist der persönliche Kontakt in der therapeutischen Beziehung zwischen Patient und Therapeut ein zentraler unverzichtbarer Bestandteil und Wirkfaktor in der Psychotherapie. Kritisch reflektiert werden muss folglich, ob und inwieweit dieser durch digitale Interventionen ergänzt werden kann, ohne das Setting und den therapeutischen Prozess zu stören im Sinne unerwünschter Nebenwirkungen. Unstrittig ist, dass Diagnosestellung, Indikation und Behandlung psychischer Störungen durch einen Psychotherapeuten im persönlichen Kontakt erfolgen und auch künftig gewährleistet sein muss. Dies umfasst ein individuelles, emphatisches und situatives Eingehen auf den Patienten, seine emotionale innerpsychische Situation im Kontext seiner Lebenswelt. Dabei spielt die sich entfaltende Dynamik der Patient-Therapeuten-Beziehung  sowohl in den diagnostischen Erstkontakten als auch im Behandlungsverlauf eine wesentliche Rolle. Die psychodynamischen Listen sehen den therapeutischen Prozess durch Anwendungen und Verschreibungen digitaler Gesundheits-Apps und internetbasierter Interventionen gefährdet.

In Zukunft wird sich der QS-Ausschuss um die Kriterien sinnvoller Qualitätssicherung der Psychotherapie befassen, da mit der neuen PT-RiLi auch der Auftrag erteilt wurde, das Antrags- und Gutachterverfahren zu vereinfachen bzw. durch andere Maßnahmen der Qualitätssicherung zu ersetzen. Im Laufe des Jahres 2020 wird das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) Instrumente und Qualitätsindikatoren für ein Qualitätssicherungsverfahren in der Psychotherapie entwickeln. Auf dieser Grundlage soll der G-BA bis Ende Dezember 2022 ein einrichtungsübergreifendes, sektorspezifisches Qualitätssicherungsverfahren für die ambulante psychotherapeutische Versorgung beschließen. Der QS-Ausschuss hatte bereits in der vergangenen Legislaturperiode (2011-2016) ein Arbeitspapier zum Gutachterverfahren und möglicher Alternativen als Instrument der Qualitätssicherung erarbeitet. Konkret wurde dem Ausschuss im November 2019 von der DV der Auftrag erteilt, Modelle zur Entwicklung neuer Qualitätsindikatoren für psychotherapeutische Behandlungsverläufe nach den Vorgaben des IQTIG zu evaluieren sowie bereits vorliegende Evaluierungen und Qualitätskriterien digitaler Gesundheitsanwendungen im Bereich der psychischen Erkrankungen und ihrer Behandlung zu sichten.

Die Fraktionsgemeinschaft der Psychodynamischen Listen ist im Ausschuss durch Barbara Heipt-Schädel (PDL-KJP) und Yvonne Winter (PDL-PP) vertreten.