Die Psychotherapie gehört niemandem - Teil I
Nach Verabschiedung des reformierten Psychotherapeutengesetzes, das die künftige Approbation am Ende eines Psychotherapiestudiums regelt, haben die Diskussionen um die Erarbeitung einer Muster-Weiterbildungsordnung (M-WBO) begonnen.
Die derzeit bei der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) angesiedelten Überlegungen sollen die rechtlich bindenden Weiterbildungsordnungen auf Landesebene entsprechend der jeweiligen Heilberufsgesetze der Bundesländer vorbereiten: In einer 5-jährigen bezahlten Weiterbildungszeit im Anstellungsverhältnis sollen mind. zwei Jahre stationäre und zwei Jahre ambulante Weiterbildung in einem Altersgebiet und einem Therapieverfahren erfolgen. Nach erfolgreicher Weiterbildung und bestandener Abschlussprüfung in der jeweiligen Landespsychotherapeutenkammer können die dann weitergebildeten Fachpsychotherapeut*innen einen Eintrag ins Arztregister erhalten und sich um die Niederlassung im Rahmen der Gesetzlichen Kranken Versicherung (GKV) bewerben oder im stationären Bereich Leitungsfunktionen (ähnlich einem Facharzt) übernehmen.
In diesem Kontext stellt sich aktuell die Frage, wer eigentlich zur Weiterbildung befugt sein sollte. Sowohl in den Weiterbildungsordnungen der Ärzt*innen, wie auch in der vorgesehenen M-WBO der Psychotherapeut*innen sind zunächst nur die Angehörigen des eigenen Berufs zur Weiterbildung befugt. Sie sollen die Patientenversorgung in konzeptioneller Einheit von Theorievermittlung, Behandlungspraxis, Supervision und Selbsterfahrung in den Kliniken, Instituten oder Weiterbildungsstätten organisieren und sind gegenüber den Weiterbildungskandidat*innen (Assistenzärzte, Psychotherapeuten) weisungsbefugt.
Dem können wir überhaupt nicht zustimmen: die Psychotherapie ist ein Fach, das mehreren Grundberufen zugehörig ist (Medizin, Psychologie, Pädagogik, Sozialpädagogik) und natürlich sollte es bei entsprechender Qualifikation eines Weiterbildungsbefugten möglich sein, auch die Angehörigen anderer Berufe psychotherapeutisch auszubilden. Die hessischen analytischen und tiefenpsychologischen Ausbildungsinstitute, die für den ambulanten Teil der Weiterbildung zuständig sein sollen, sind seit ihrer Gründung in der gemeinsamen Aus- und Weiterbildung von Ärzt*innen und Psycholog*innen (im KJP-Bereich auch Pädagog*innen, Sozialpädagoginnen etc.) erfahren. Demzufolge spielt es für die Qualität der fachlichen Ausbildung keine Rolle, welchem Grundberuf die Praxisanleitungen in den Kliniken, die Dozent*innen, Supervisor*innen, Lehranalytiker*innen oder Selbsterfahrungsleiter*innen angehören.
Diesen Grundgedanken gilt es auch für die Zukunft zu erhalten, selbst wenn das künftige Psychotherapiestudium eine höhere Vorabqualifizierung bei Beginn der Weiterbildung enthält.
Daher hat Susanne Walz-Pawlita, Mitglied der Psychodynamischen Liste PP, nun im Gemeinsamen Beirat von LÄK und PTK Hessen die zukünftig intensivere Kooperation zwischen den psychotherapeutischen Heilberufen angestoßen. Sie schlägt dazu eine gemeinsame Initiative zur Änderung des Hessischen Heilberufsgesetzes (HBG) vor, wonach im Bereich der Psychotherapie bei gleicher Qualifikation künftig einzelne Weiterbildungsbefugnisse wechselseitig anerkannt werden sollten. Derzeit stehen in einzelnen Bundesländern die Berufsordnungen dem noch entgegen, aber nach einer entsprechenden Gesetzesänderung könnte auch diese Hürde beseitigt werden. Dies auch, um die aktuellen Spannungen zwischen den beiden Kammervorständen aufgrund der neuen Namensgebung der „Psychotherapeutenkammer Hessen“ (PTK) durch ein Kooperationsprojekt zu heilen.
In der Ärzteschaft (Vorstand und verschiedene Ausschüsse der Landesärztekammer Hessen LÄK) ist diese Initiative auf große prinzipielle Zustimmung gestoßen. Der Vorstand der PTK-Hessen hat sich dazu bisher nicht geäußert.
Gerade angesichts der Diskussionen zur zukünftigen M-WBO der approbierten Psychotherapeut*innen auf Bundesebene wird es aber notwendig sein, hier zu einem grundlegenden Umdenken zu kommen. Auch die PT-Kammern sollten sich dazu entschließen, eine entsprechende Regelung zur wechselseitigen Anerkennung in ihre WBO aufzunehmen, wie dies bereits in Hamburg und Bremen der Fall ist. Vor allem in den geplanten zwei Jahren stationärer Weiterbildung wird es darum gehen müssen, dass Ärzte und PP/KJP (zukünftig Fachpsychotherapeuten) die verantwortliche Leitung in einzelnen Weiterbildungsabschnitten für den eigenen und den anderen Beruf erhalten können, um sinnlose Doppelstrukturen zu vermeiden und zu einer sinnvollen Kooperation im Sinne einer guten Patientenversorgung zu kommen.
„Die Psychotherapie gehört niemandem“ – eine fruchtbare Weiterentwicklung kann nur durch Kooperation und wechselseitige Anerkennung der unterschiedlichen Traditionen, Wurzeln und Schwerpunkte aus verschiedenen Grundwissenschaften gelingen.