Neues Psychotherapeutengesetz - Studierende alleine gelassen

Neues Psychotherapeutengesetz - Studierende alleine gelassen

Aktuelle Regelungen zur Aus- und Weiterbildung der Psychotherapeut*innen

Zum 01.09.2020 ist die Novellierung des Psychotherapeutengesetzes in Kraft getreten (https://www.buzer.de/PsychThG_2020.htm).

Demnach gelten für alle Studierenden, die ihr Studium nach dem 01. September 2020 begonnen haben, die neuen Regelungen des Psychotherapeutengesetzes. Gleiches gilt für Studierende, die zum 01. September 2020 ihr Bachelorstudium bereits begonnen hatten und durch universitäre Nachqualifizierungen die Vorgaben für den neuen Bachelorstudiengang noch erfüllen konnten.

Dies bedeutet, dass im Studium Psychologie/Klinische Psychologie und Psychotherapie der Abschluss eines Bachelor- und Masterstudiums vorliegen muss. Das Masterstudium wird mit einer Approbationsprüfung zum/zur Psychotherapeut*in (§§ 9 und 10 PsychThG) abgeschlossen. Die Prüfungsaufsicht liegt bei den Approbationsbehörden der Länder. Damit ist berufsrechtlich die Genehmigung zur Ausübung der Heilkunde als Psychotherapeut*in verbunden.

Im Gegensatz zur bisherigen Ausbildung, die Approbation und Fachkunde in den Bereichen Psychologische Psychotherapie oder Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie gemeinsam vermittelt, fällt dieses Junktim in Zukunft auseinander:

• Durch das Studium werden in Form höherer Lehranteile und umfangreicher praktischer Tätigkeiten (BQT) die Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation, d.h. die staatliche Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde geschaffen.

• Dabei ist verpflichtend die Lehre in allen wissenschaftlich anerkannten Verfahren über alle Altersspannen zu erbringen.

• Mit der neuen Approbation gibt es zunächst nur noch einen Heilberuf: den/die Psychotherapeut*in.
(https://www.gesetze-im-internet.de/psychthappro/BJNR044800020.html)

• Die Fachkunde, d.h. die Eintragung ins Arztregister mit der Möglichkeit im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) tätig zu werden, ist nur durch den erfolgreichen Abschluss einer sich an das Studium anschließenden mindestens fünf Jahre dauernden Weiterbildung in Vollzeit zu erwerben. (https://www.buzer.de/s1.htm?a=95c&g=SGB+V&ag=-1).

• Erst zu Beginn der Weiterbildung erfolgt die Entscheidung für das künftige Tätigkeitsgebiet als Psychotherapeut*in für Erwachsene oder als Psychotherapeut*in für Kinder und Jugendliche.

• Im Unterschied zur derzeitig rein ambulant durchgeführten Ausbildung in den Ausbildungsinstituten wird die künftige Weiterbildung mindestens 2 Jahre stationäre Tätigkeit, mindestens 2 Jahre ambulante Tätigkeit sowie fakultativ zusätzlich ein Jahr in einer Institution (Beratungsstellen, Einrichtungen nach SGB V etc.) erfolgen.

• Diese Weiterbildung erfolgt nach den Vorgaben der jeweiligen Weiterbildungsordnungen der Länder (WBO), die sich weitgehend an den Vorgaben der Musterweiterbildungsordnung (M-WBO) orientieren.

• Die Ordnungen wurden/werden derzeit von den Delegiertenversammlungen der Länder-Psychotherapeutenkammern verabschiedet und sind überwiegend bereits in Kraft. Quellen: Musterweiterbildungsordnung der BPtK: https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2022/05/Muster-Weiterbildungsordnung_Psychotherapeut_innen-der-BPtK.pdf. Für Hessen: https://ptk-hessen.de/download/weiterbildungsordnung-fuer-psychotherapeutinnen/

• Demnach müssen in Zukunft alle Teile der Weiterbildung (stationär, ambulant etc.) durch anerkannte Weiterbildungsstätten erbracht werden. Die Vorgaben zur Anerkennung regeln die jeweiligen Psychotherapeutenkammern der Länder.

• Aktuell ist noch nicht klar, wie eine Finanzierung der zusätzlich zu erbringenden Leistungen in der Weiterbildung erfolgen kann. Denn im Unterschied zur bisherigen Ausbildung findet die Weiterbildung verpflichtend in einem Anstellungsverhältnis bei der Weiterbildungsstätte statt.

Wichtig!!! Übergangsregelungen nach § 27 PsychThG:
Aufgrund dieser Situation gibt es bei vielen Studierenden eine große Unsicherheit, ob und wie sie ihre Weiterbildung zum/zur Erwachsenen- oder Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut*in überhaupt durchführen können.

Nach den Vorgaben des Psychotherapeutengesetzes können alle Studierenden, die ihr Studium vor dem 01.09.2020 begonnen haben sowie alle Personen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits in einer Ausbildung nach „altem“ PsychThG befunden haben, eine Ausbildung nach den Regelungen des Psychotherapeutengesetzes vom 01.01.1999 („alt“) absolvieren/beenden. Diese Ausbildung zum PP oder KJP muss spätestens bis zum 01.09.2032 (in Ausnahmefällen 2035) mit Approbationsprüfung und Fachkunde abgeschlossen sein.

Eine besondere Regelung gilt für die Studierenden aus den pädagogischen Fächern, die an Hochschulen für angewandte Wissenschaften studieren, die mit einer KJP-Ausbildung verzahnte Masterstudiengänge eingerichtet haben. Dort können Interessierte noch bis zum 31. August 2026 in ein entsprechendes Studium aufgenommen werden

Nach den inzwischen erweiterten Vorgaben der Länder-Approbationsbehörden kann die Aufnahme in eine Ausbildung nach den Vorgaben des PsychThG vom 01.01.1999 (alte PP- oder KJP-Ausbildung) auch für Absolvent*innen der neuen Masterstudiengänge Klinische Psychologie/Psychotherapie erfolgen! Dies gilt in Hessen auch, wenn bereits eine Approbationsprüfung nach dem Studium bestanden wurde. Diese Gruppe müsste dann am Ende trotzdem eine zweite Approbationsprüfung nach altem Recht für PP und/oder KJP absolvieren, erhält dadurch aber auch die Genehmigung zur Tätigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung nach SGB V, § 95 c. Bevor Sie sich dafür entscheiden, klären Sie dies bitte mit der zuständigen Approbationsbehörde.

Fazit:
Aufgrund der aktuell noch nicht absehbaren Finanzierung der Weiterbildung sowohl im stationären wie im ambulanten Bereich empfehlen wir allen Studierenden oder Masterabsolvent*innen (die ihr Studium vor dem 01.09.2020 begonnen haben), sich diese Übergangsbestimmungen sehr genau anzusehen. U.U. kann es lohnender sein, jetzt noch eine Ausbildung nach altem Recht zu beginnen, da eine Beendigung bis zum 30.08.2032 auf jeden Fall möglich erscheint.

Nach Verabschiedung des PsychThG 2020 haben die Psychologie-Fakultäten zukünftig pro Jahr insgesamt 330 Masterstudienplätze im Fach Klinische Psychologie/Psychotherapie mit Approbation eingerichtet. Auch wenn diese im Moment noch nicht voll besetzt sind, ist nicht davon auszugehen, dass die dortigen Absolvent*innen anschließend eine bezahlte Weiterbildung absolvieren können. Stattdessen wird es eine große Zahl Approbierter nach den neuen Regelungen geben, die keine Fachkunde und damit keinen Zugang in die gesetzliche Krankenversorgung erhalten werden.

Auch durch die neue Approbationsordnung an den Universitäten hat sich die Lehrsituation nicht prinzipiell verändert: nach wie vor bilden die verhaltenstherapeutischen Schwerpunkte der Abteilungen für Klinische Psychologie/Psychotherapie einen Großteil der Lehrinhalte im Studium, sowohl für Erwachsenen- wie für Kinder-Psychotherapie. Die einzige Ausnahme bildet im Moment der entsprechende klinische Studiengang an der Universität Kassel.

Zusätzlich ist aus Sicht der Psychodynamischen Listen und der Ausbildungsinstitute für Psychoanalyse und Psychotherapie in Hessen noch offen, wie viele Plätze sie als Weiterbildungsstätten für eine künftige Weiterbildung zur Verfügung stellen können/werden. Denn die Aufwendungen für die geforderten Patientenbehandlungen unter Supervision sowie die geforderten Anteile der Selbsterfahrung sind ungleich höher als in den anderen Verfahren. Gleichzeitig bietet die etablierte Abrechnung den GKV-Patienten über die Ambulanzen an den anerkannten Ausbildungsstätten nach dem Psychotherapeutengesetz („alt“) die Möglichkeit, spätestens im zweiten Teil der Ausbildung eine angemessene Vergütung für die Patientenbehandlungen zu erhalten.

Susanne Walz-Pawlitta