Zu den politischen Auseinandersetzungen um die Akkreditierung der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge Psychotherapie
Nach Verabschiedung des Psychotherapeutenreformgesetzes und der neuen Approbationsordnung müssen die Studiengänge, die künftig eine Approbation erteilen wollen, neue curriculare Strukturen mit entsprechenden Ausbildungsinhalten anbieten: verstärkte Angebote in berufspraktischen Übungen in allen Psychotherapieverfahren, Selbsterfahrung, vertiefende klinische Lehre und Forschungsmethoden. Während die meisten Bachelorstudiengänge Psychologie mit gewissen Zusatzkursen so aufgewertet werden können, dass sie dann auch in den künftigen Masterstudiengang Psychotherapie führen, müssen die Psychotherapie-Masterstudiengänge völlig neu aufgestellt werden. Ein besonders schwieriger Punkt wird dabei sein, wie die Breite der Verfahren und Altersschwerpunkte repräsentiert sind, die nicht aus der sowieso in der Psychologie dominierenden Verhaltenstherapie kommen.
Für alle neuen Studiengänge muss eine Akkreditierung stattfinden, die bundesweit von verschiedenen dafür zugelassenen Akkreditierungsagenturen[1] durchgeführt wird. Sie erfolgt durch neutrale Gutachterkommissionen, in denen neben Professor*innen aus anderen Hochschulen auch je ein*e Vertreter*in aus der Berufspraxis und ein*e Vertreter*in der Studierenden sitzen. Die Vertretung der Berufspraxis ist besonders wichtig, weil ja künftig am Ende des Masterstudiums eine Approbation zum/zur Psychotherapeut*in stehen soll.
Aufgrund der Bedeutung der neuen Studiengänge für die Entwicklung des Berufs kommt den Kommissionen eine besondere Bedeutung zu, da sie neben den fachlichen Inhalten, der Ausstattung des Studiengangs mit Personal, Mitteln etc., der curricularen Struktur, die sog. Studierbarkeit zu untersuchen haben. Durch die Vorschriften des neuen Gesetzes und der Approbationsordnung gab es auf Ebene der Länderkammern Überlegungen, die Gutachter aus der Berufspraxis auf einer Liste zu sammeln, aus der die einzelnen Akkreditierungsagenturen dann die Gutachter für die Psychotherapie-Masterstudiengänge auswählen können.
In Sorge um ihre hegemoniale Stellung bei der Ausgestaltung der Studiengänge gibt es bereits seit Anfang des Jahres 2020 Anstrengungen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), der Vereinigung der Hochschullehrer Psychologie, und des Fakultätentags Psychologie (FTPs), nicht nur die Studiengänge selbst, sondern auch die Gutachterkommissionen mit eigenen Vertretern zu besetzen. Dies ist umso befremdlicher als die Vertreter der Berufspraxis ja eigentlich die Studiengänge im Hinblick auf die Orientierung an der zukünftigen klinischen Praxis zu überprüfen haben, die auch die Vermittlung rechtlich relevanter Fragen, wie z.B. Berufsrecht, Berufsethik und Heilberufsrecht umfassen muss. Der Fakultätentag positioniert sich hingegen dazu im Hinblick auf die eigenen Interessen:
„Die ersten Akkreditierungsverfahren sind besonders bedeutsam, weil hier die Regeln für weitere Verfahren etabliert werden. Zu beachten ist, dass gemäß § 9(5) PsyThG die nach Landesrecht für Gesundheit zuständige Stelle die Einhaltung der berufsrechtlichen Voraussetzungen feststellt und hierzu über die Vertreterin oder den Vertreter der Berufspraxis Voraussetzungen feststellt und hierzu über die Vertreterin oder den Vertreter der Berufspraxis mitwirkt. Damit kommt den Vertreterinnen und Vertretern der Berufspraxis künftig eine wichtige Rolle in den Akkreditierungsverfahren zu. Es gibt erste Anzeichen, dass versucht werden könnte, über die Vertretung der Berufspraxis Interessen durchzusetzen, die von den Interessen unserer Fachgesellschaft stark abweichen. DGPs und Fakultätentag werden Qualitätskriterien für den Ablauf der Verfahren und die Besetzung der Kommissionen formulieren und an die Institute, den Akkreditierungsrat und die Akkreditierungsagenturen sowie die zuständigen Ministerien und Landesprüfungsämter geben. In Bezug auf die Besetzung der Positionen für die Berufspraxis werden wir hierzu auch die Abstimmung mit den Landespsychotherapeutenkammern suchen. Es ist von großer Wichtigkeit, dass sich für die Akkreditierungsverfahren viele Kolleginnen und Kollegen als Gutachtende zur Verfügung stellen, um auf die Verfahren Einfluss nehmen zu können. Wir werden über die Fachgruppensprecherteams dazu aufrufen, Personen zu benennen, die diese Aufgabe wahrnehmen. Ziel ist es, dass bei Akkreditierungskommissionen für polyvalente Bachelorstudiengänge jeweils ein professorales Mitglied mit Fachkunde Psychotherapie und ein professorales Mitglied einer anderen Subdisziplin vertreten ist.“ [2]
Daran zeigt sich, wie groß die Anstrengungen der verhaltenstherapeutisch dominierten Universitätspsychologie sind, den Berufspraktikern aus anderen Verfahren kritischen Einblick in die Struktur der neuen Ausbildungsstudiengänge zu verweigern.
In treuer Gefolgschaft gegenüber den Anweisungen der DGPs und des Fakultätentags Psychologie hat der Vorstand der Psychotherapeutenkammer Hessen (LPPKJP) gegenüber dem Sozialministerium und der nachgeordneten Behörde eine Liste möglicher Vertreter aus der Berufspraxis erstellt, die an künftigen Akkreditierungsverfahren mitwirken könnten. Benannt wurden zwei (!) Hochschullehrer, Frau Dr. Renate Frank, Gründerin und früher Leiterin des Ausbildungsgangs VT an der Justus-Liebig-Universität in Gießen sowie Prof. em. Fritz Mattejat aus Marburg, Gründer des Instituts für Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin an der Philipps-Universität Marburg (IVV). Ein Antrag der Psychodynamischen Listen auf der letzten Delegierten-Videokonferenz, die Zahl der benannten Berufspraktiker gegenüber dem Landesministeriums auf wenigstens vier Personen aus verschiedenen Psychotherapieverfahren aufzustocken, wurde vom Kammervorstand abgelehnt.
Wir sehen dies mit Sorge: ursprüngliche mit der Reform verbundene Versprechen, an Stelle der jetzt weitgehend einseitigen Lehre an den Universitäten, alle wissenschaftlich anerkannten Verfahren – oder auch Zugänge zur Psychotherapie wieder in die Lehre aufzunehmen – werden zunehmend ausgehöhlt. Dies in Richtung des Anspruches, als Verhaltenstherapeuten den Studierenden auch alle anderen Verfahren adäquat vermitteln zu können. Das bezweifeln wir. Es ist vielmehr eine Fortführung der einseitigen Ausrichtung – und wie bisher eine oft eher entwertende Darstellung anderer Verfahren in der Lehre zu befürchten.
Unsere Kritik gilt ebenso einem Vorstand der Landespsychotherapeutenkammer (LPPKJP), der seit seiner Wahl einseitig die Interessen einer universitär ausgerichteten Verhaltenstherapie vertritt. Die einseitige universitär-verhaltenstherapeutisch ausgerichtete Besetzung der Liste der Berufsvertreter für die Akkreditierungskommissionen ist ein weiteres Beispiel dieser Politik. Seine eigentliche Aufgabe wäre es, für die gesamte Bandbreite der Profession einzutreten.
Ab Herbst 2020 werden die Akkreditierungen der Masterstudiengänge Psychotherapie beginnen, die meisten Universitäten planen, ab WS 2021/22 mit den neuen Masterstudiengängen zu beginnen. (swp)